Inzucht

Als Ich mit der Zucht begonnen habe, hielt Ich Inzucht für etwas Schlimmes, das auf jeden Fall vermieden werden muss. Es war die Rede von Missbildungen und Krankheiten, die durch Inzuchtverpaarungen ausgelöst werden. Hinzu kam der ethische Gedanke, dass Geschwisterverpaarungen oder Verpaarungen zwischen Eltern und Kindern unmoralisch und unnormal sind. Bezogen auf Menschen greift dieser ethische Gedanke sicher, allerdings verfügen Tiere nicht über ein Bewusstsein der verwandschaftlichen Beziehungen untereinander, einem Tier ist es egal, ob Bruder oder Schwester vor ihnen stehen, für sie sind es Artgenossen. Als kleines Beispiel, werden Wurfgeschwister getrennt voneinander aufgezogen, so werden sie nicht als Rudelmitglieder erkannt. Bei Menschen oder auch Hunden greift auch der Gedanke, dass Inzucht Missbildungen und Krankheiten auslöst, den Grund dafür zu erkennen, hat bei mir allerdings etwas gedauert. Zum einen ist die Mutationsbereitschaft in einem engen Genpol deutlich höher, was auch erklären könnte, dass in Futtertierzuchten mehr neue Farbgene auftauchen als in Zuchten, die auf Auskreuzen basieren. Zum anderen werden die meisten Erbkrankheiten recessiv vererbt. Je öfter nun ausgekreuzt wurde, umso mehr Krankheitsgene sind vorhanden, womit die Chance, dass zwei krankbringene Gene aufeinander treffen erhöht werden.

Bei Nagern ist eine Verkleinerung des Genpols deutlich unkomplizierter als z.B. bei Raubtieren. Dieses resultiert aus der Tatsache, dass Nager in der Natur in der Nahrungskette unten stehen. Dezimiert ein Fressfeind oder eine Naturkatastrophe eine Nagerpopulation auf wenige Individuen, so muss der Bestand aus diesen wenigen Individuen wieder aufgebaut werden, da können die Tiere keine Rücksicht auf Verwandschaft nehmen, es muss produziert werden, um die Art zu erhalten. 

Den weiteren Punkt bezüglich der Erbkrankheiten machen wir als Züchter uns sogar zum Nutzen. Durch gezielte Testverpaarungen können wir kranke Gene sichtbar machen. Durch Rückverpaarungen und Geschwisterverpaarungen können wir aber auch Gene ausschließen. Um es einfacher zu machen, erkläre Ich das anhand von Farbgenen, diese Farbgene können beliebig durch alle anderen recessiven Gene ersetzt werden, der Erbgang läuft immer nach dem selben Schema. Die Elterntiere sind in meinem Beispiel Mink und Black. Im Wurf fallen Black, Mink und Russian Blue. Aus dem Wurfergebnis erkennen wir, dass das Minkelterntier RB-Träger ist und dass das Black Elterntier sowohl Mink als auch RB trägt, bewiesen ist auch, dass alle Nachkommen Mink tragen. Wir wollen jetzt aber wissen, ob die Nachkommen ebenfalls RB tragen. Verpaaren wir nun die Nachkommen mit der Elterngeneration, verpaaren wir potenziellen Träger mit sicherem Träger. Ist der potenzielle Träger kein Träger wird kein RB fallen, ist es ein Träger sind rein rechnerisch 25% des entstehenden Wurfes RB. Verpaaren wir einen RB aus der ersten Folgegeneration mit einem Geschwisterchen, dass kein RB ist, wären bei Trägereigenschaft rein rechnerisch 50% des Wurfes RB. Das Vorhandensein eines Gens lässt sich also ziemlich einfach beweisen, dass nicht Vorhandensein leider nicht. Fällt kein RB im Wurf, dann bedeutet das nicht automatisch, dass kein RB vorhanden ist, vielleicht hat sich Mutter Natur einfach verrechnet. Genetik lässt sich zwar sehr einfach berechnen, allerdings spielen bei der Vererbung andere Faktoren eine Rolle als Mathematik. Die stärksten und schnellsten Spermien setzen sich durch, nicht die, die rein mathematisch die korrekten Erbinformationen enthalten. 

Farben können natürlich auch ohne Inzuchtverpaarungen getestet werden, bei Krankheiten sieht das schon etwas anders aus. Je enger der Verwandschaftsgrad, je ähnlicher der Gencode und umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass zwei gleiche Gene aufeinander treffen. Um auf Krankheiten zu testen macht es also keinen Sinn auszukreuzen, es sei denn von einem Tier ist bekannt, dass dieses das zu testende Gen in sich trägt.